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1. Tag


Es war ein Tag wie jeder andere. Es regnete nicht, aber die Sonne lies sich auch nicht wirklich sehen. Auf den Straßen von London herrschte reges Treiben und die Leute drängelten sich aneinander vorbei, bedacht niemanden anzustoßen. Immer wieder nuschelten sie sich ein Sorry zu und zogen weiter. Das kleine Café tauchte zwischen den vielen anderen Geschäften völlig unter und so war es auch kein Wunder, dass nur zwei Leute neben ihr drinnen saßen. Sie rührten lustlos in ihrem pampigen Capuccino herum und schienen mehr wie Leute, die einfach Zuflucht vor der Hektik der Maßen dort draußen gesucht hatten, als welche, die wirklichen Appetit auf Capuccino hatten.
Mia ging es nicht viel anders. Sie starrte appetitlos auf die kleine dreckige Brühe in ihrer Tasse und lies die Spitze ihres Löffels ein paar Mal durch die braun-beige Maße streichen, die wohl Milchschaum sein sollte. Niemand hat gesagt, dass der Café in London gut ist! , dachte sie zynisch und mit einer leichten Mischung aus Heimweh nach ihrer alten Heimat Rom. Dort hatte sie in der Vicolo dela Cancelleria gewohnt, nicht weit von der Via del Cappellari mit dem bekannten Restaurant del Cappellari. Sie musste nur zwei Straßen gehen, die Corso Vittorio Emanueleli und die Vicolo Savelli wo ihr Stammlokal gewesen war. Und obwohl Roma die Hauptstadt von Italien war, sehr groß dazu, war es etwas anderes im Gegensatz zu London. Es war beinahe noch persönlicher gewesen. Die Leute nahmen sich Zeit und hetzten nicht so, wie in dieser, von Regen geprägten Trauerstadt. Die Leute schienen wie Sklaven zu sein, Sklaven der Zeit, die von einem Ort zum nächsten hetzten.
Mia wünschte sich, das Studium hier nie angefangen zu haben. Außer ihrer Mitbewohnerin Laura hatte sie niemanden kennen gelernt und auch wenn ihr Englisch nahe zu perfekt gewesen war, so traute sie sich doch nie, jemanden anzutreffen. Sie schaute leicht auf als die Tür zu den Café, welches den Namen nicht zurecht trug, sich öffnete und der Lärm von den Straßen hinein dröhnte. Ein junger Mann, knapp 25 Jahre, schaute sich um und bewegte sich in ihre Richtung. Ist der Platz noch frei? , erkundigte er sich in seinem British-english und Mia nickte. Aber sie verstand nicht, wieso er sich nicht an einen der vielen anderen Tische setzte. Unauffällig musterte sie den gutaussehenden Mann ihr gegenüber. Er war eine durchschnitt Schönheit, wie sie immer sagte. Schlank, sportlich, groß, mit braunen Haar.
Vielleicht mit ein bisschen mehr Charme und selbstsichere Ausstrahlung, als viele andere. Ich bin Sean, hallo! , meldete er sich dann zu Wort und suchte ihren Blick. Sie hob ihren Kopf und blickte in seine schokoladenbraunen Augen. Mia, schön Sie zu treffen. Sie war vorsichtig. Er hatte ihr zwar seinen Vornamen gesagt, aber die Engländer mit ihrer Höfflichkeit bestanden weiterhin auf die förmliche Ansprache. Sean lächelte gequält. Schade, ich dachte, dass ich endlich mal auf eine Nicht-Engländerin getroffen bin. Und nun haben sie dich auch schon so dressiert, dass du glatt eine sein könntest. War das ein Kompliment? Es klang nicht so, aber man wusste ja nicht. Vielleicht war das auch einer dieser trockenen Witze, über die Mia einfach nicht lachen konnte.
Sean schien ihren fragenden und zu gleich skeptischen Blick zu bemerken und fügte hinzu: Ich dachte, wenn ich Sean sage würdest du mich auch gleich duzen. Nun ja... Mia huschte ein leichtes Lächeln über den Mund. Also doch kein normaler Engländer, wie sie sie draußen auf der Straße laufen sah. Ich muss gleich nach Oxford. Einen Freund abholen. Er packt das Studium dort nicht und will doch hier studieren. Darf man fragen wo du studierst? Mia blickte überrascht auf. Oxford? Da hast du dir aber viel vorgenommen. Sean lächelte. Ach das geht. Wenn ich die M 40 fahre, dann schaffe ich das in gut einer Stunde. Vorher muss ich nur das hier fertig machen... Er holte einen Stapel Papiere zum Vorschein. Mein Studium! , lächelte er gequält. Antike Architektur im Moment. Zu dumm das ich mir ausgrechnet das ausgesucht habe!
Mia lächelte und warf einen flüchtigen Blick auf die Uhr. Oh, scheiße. Meine Lesungen beginnen in ein paar Minuten, ich muss los. Sie sprang auf, griff nach ihrer Tasche und wollte gerade Richtung Tür schreiten, als Sean sie nach ihrer Nummer fragte. Aber sie kannte ihn kaum und es widerstrebte ihr, ihm ihre Nummer zu geben. Sorry, aber wenn es sein soll, dann sehen wir uns noch einmal wieder. , speiste sie ihn ab und schritt energisch aus zur Tür. Als sie hinaus auf die Straße trat wurde sie vom Sog der Menschen mitgezogen und hechtete zu ihrer Universität. Und ihr wurde bewusst, wie sehr London sie in Besitz genommen hatte.

Die Lesungen waren vorbei und sie musste sich wieder die Annnäherungsversuche von Oliver anhören, der sie ständig für sich gewinnen wollte. Er war ja ganz nett, aber sie hasste seinen Humor. Laura hakte sich bei ihr ein und manövrierte sie zur den Kantinenessen hinüber. Ich kann nicht glauben, wie man so einen Fraß kochen kann! , jammerte Mia und dachte an richtige Pizza. Laura murmelte irgendetwas missmutiges und meinte dann: Wie heißen die Straßen bei euch noch mal? Heißen die nicht irgendwie Piazza oder so? Mia lachte und setzte sich an einen freien Tisch, auf den sie ihr Tablett absetzte. Zum x-ten Mal erklärte sie Laura etwas über Italien, die davon gar nicht genug hören konnte.
Wann fahren wir denn jetzt zu deinen Eltern? Mia lachte und stupste ihre Freundin an. Das weißt du zwar schon aber: In diesen Semesterferien. Aber während der Uni können wir ja nun schlecht gehen. Sie machte eine kurze Pause in der sie angewidert auf ihr Essen starrte. Und mir ist gerade der Appetit vergangen. Ein großgewachsener, junger Mann setzte sich zu ihnen und beugte sich dann zu Laura vor, um ihr einen Kuss zu geben. Hallo Mia! , grüßte er dann die Italienerin. Laura und ihr Freund Leo - ein Deutscher - unterhielten sich angeregt über die Lehrer an dieser Uni. Mia beteiligte sich nur unwesentlich am Gespräch und stand irgendwann auf, verabschiedete sich und ging zur Tür.
Sie bemerkte, dass sie sich hier einen flotten Schritt angewöhnt hatte und bremste unweigerlich ab, wie um sich zu beweisen, dass sie sich nicht hatte anstecken lassen und alle Zeit der Welt hatte. Vielleicht hätte ich Sean ja doch meine Handynummer geben sollen. Wäre eine Abwechslung gewesen! Aber nun war es sowieso zu spät und sie merkte, wie sie insgeheim hoffte, dass ihr Sean über den Weg laufen würde. Automatisch blickte sie sich um und hielt Ausschau. Dabei rempelte sie vor sich eine junge Dame an, die sich empört umblickte. Gerade setzte Mia zu ihrem üblichen Entschuldigung! an, als sie widerspenstig und trotzig den Kopf hob, die Frau noch einmal leicht anrempelte und vorbei ging. Herausfordernd blickte sie sich um, doch die Frau sah ihr nur ungläubig nach. Lachend beschleunigte Mia ihren Schritt und entschuldigte sich nicht, wenn sie irgendjemanden anrempelte.
Für sie war das eine Erleichterung und so kam sie mit federnden Schritten an das kleine Mietshaus, das 5 winzige Wohnungen beherbergte und dem man so etwas gar nicht zutrauen würde. Mia lies die Tür hinter sich zufallen und steuerte direkt geradeaus auf ihre Wohnung, die sie mit Laura zusammen hatte, zu. Sie war für London ausgesprochen groß, mit einem kleinem Bad, einem relativ großen Wohnraum mit Küche und Esstisch und zwei kleinen Schlafzimmern. Erschöpft lies sie ihre Tasche auf den Tisch sinken, machte sich einen Kaffee und setzte sich mit den in ihren Lieblingssessel, um sich ein wenig auszuruhen.

~~~

Es war ein Tag, wie man sich ihn in London vorstellte. Mit Regenwolken verhangen, aber regnen tat es nicht. Die Leute hasteten vorbei und zogen die Leute erbarmungslos mit sich. Keine Chance, weg zukommen, sich aus diesem Sog zu befreien. The Café war ein unscheinbares Café in Mitten der vielen Anderen, das gar nicht auffiel und zu dem schrecklichen Kaffee fabrizierte. Aber eine hübsche, junge Frau saß darin, die eindeutig keine Engländerin war, aber ein Leidensgesicht zog, wie all die Engländer, die in dieser Straße herum liefen und sich immer wieder für einen kleinen Schubser entschuldigten. Er tat es nicht.
Sean ging hoch aufgerichtet an den Leuten vorbei und drängelte sich zwischen ihnen durch. Ohne auch nur einmal sich zu entschuldigen. Er öffnete die Tür und sah, wie sie langsam den Kopf hob und ihn beobachtete. Sie wird mich für verrückt halten, aber was solls! Er war es gewohnt, für verrückt gehalten zu werden. Und es gefiel ihm. Er wollte nicht normal sein. Und er wollte nicht den trockenen, schwarzen Humor des durchschnit Engländers akzeptieren. Er war verrückt für sie. Und er liebte es, verrückt für sie zu sein. Ist der Platz noch frei? , erkundigte er sich mit einer lässigen Handbewegung, die auf den Stuhl, direkt ihr gegenüber deutete. Er war gespannt, wie sie heißen würde und wie ihr Englisch war. Er war gespannt, wie sie war. Und er freute sich schon auf ein Gespräch mit ihr.
Sie nickte und er lies sich langsam auf den Stuhl sinken, die Tasche legte er auf den Tisch. Sie war Italienerin, dass sah er nun, da er ihr direkt gegenüber saß. Und so wunderte es ihn auch nicht, dass sie den Kaffee, den man ihr hier anbot, einfach nicht mochte. Ich bin Sean, hallo! , stellte er sich vor und suchte ihren Blick. Wie mochte sie wohl heißen? Als sie ihren Kopf langsam hob, sah er ihre strahlend grünen Augen. Mia, schön Sie zu treffen.
Lüge! , war das erste was Sean dachte und dann: Sie . Wie mochte sie gewesen sein, ehe diese schreckliche Höfflichkeit und Angst, etwas falsches zu tun oder zu sagen, sie ergriffen hatte? Er würde es gerne wissen. Aber er kann es nicht, denn sie hat sich verändert. Das weiss er. Sie sieht aus wie eine Italienerin, aber eigentlich ist sie schon fast eine Engländerin. Er sagte, was er dachte. Er wollte kein Engländer mehr sein. Schade, ich dachte, dass ich endlich mal auf eine Nicht-Engländerin getroffen bin. Und nun haben sie dich auch schon so dressiert, dass du glatt eine sein könntest. Sean sah, wie ihr Gehirn arbeitete, aber nur einen fragenden Blick zustande brachte. Ich dachte, wenn ich Sean sage, würdest du mich auch gleich duzen. Nun ja...
Ein leichtes Lächeln kräuselte sich um ihre Lippen und er merkte, dass er sie für sich gewonnen hatte - zu mindestens ein wenig. Ich muss gleich nach Oxford. , fuhr er fort, Einen Freund abholen. Er packt das Studium dort nicht und will doch hier studieren. Darf man fragen wo du studierst? Er dachte noch einen Augenblick an Even, der sich so sehr auf die Oxford-Universität konzentriert hatte und nun doch gehen musste. Oxford, da hast du dir aber viel vorgenommen? Sean lächelte, denn er merkte, dass sie ihm auswich. Ja nicht zu viel von sich Preis geben, so war wohl ihr Gedanke. Ach, das geht. Wenn ich die M40 fahre, dann schaffe ich das in gut einer Stunde. Vorher muss ich nur das hier fertig machen... Sean griff in seine Tasche und holte einen großen Stapel Blätter hervor, um ihn auf den Tisch zu legen. Liebevoll strich er über sein Studium hinweg - seine Leidenschaft. Mein Studium! , versuchte er dann seine Begeisterung zu unterspielen, Antike Architektur im Moment. Zu dumm das ich mir ausgrechnet das ausgesucht habe!
Da lächelte sie schon wieder und schaute auf die Uhr. Eine Italienerin hier in England schaute so flüchtig auf die Uhr, wie es nur Engländer taten, aber alle fünf Minuten. Oh scheiße. Na nu? Sean horchte auf, ein Schimpfwort! Meine Lesungen beginnen in ein paar Minuten, ich muss los. Sie sprang hoch und griff nach ihrer Tasche, doch ehe sie zum Ausgang hechten konnte, wagte Sean sie nach ihrer Nummer zu fragen. Kaum hatte er seine Frage zu Ende gesprochen, da wusste er, dass sie sie ihm nicht geben würde. Sie war eben doch Engländerin, kein Riskio eingehen. Sie entschuldigte, ja sie entschuldigte sich bei ihm und speiste ihn dann mit einem kurzen Satz ab, ehe sie nach draußen hechtete und zu einen der vielen Engländer da draußen wurde, nur mit einem etwas anderem Aussehen.

Even wuchtete seinen schweren Karton in den großen Wagen und klagte über die Ungerechtigkeit, dass er jetzt aufhören müsste und das er doch eigentlich hochintelligent wäre. Even, unterbrach Sean ihn ganz unvermittelt und plötzlich, dass dieser stockte. Ich werde England verlassen, ich fliege heute abend noch mit der Maschiene. Ich hatte noch überlegt, zu bleiben, aber dann sprach doch alles dagegen. Ich möchte hier nicht mehr bleiben, außerdem habe ich Gestern eine Antwort aus Italien bekommen und sie würden mir gerne einen Studiumplatz anbieten, ich habe schon mit Vitkor gesprochen, ich werde die erste Zeit bei ihm schlafen können.
Even lies langsam den Karton, den er in der Hand hielt, sinken und starte seinen Kumpel an. Also, steht es fest? Du hälst es hier einfach nicht mehr aus, richtig? Sean lächelte. Richtig! Und jetzt beeil dich bitte, ich muss meinen Flug erwischen. Übrigens kannst du meine Wohnung haben, du musst mir nur meinen ganzen Kram nachschicken, ich schreibe dir dann einen Brief. Even grinste, nickte kurz darauf aber ernst. Ist doch klar! Und vergiss nicht, mich dann bald in deine neue Wohnung einzuladen, ja? Sean lächelte und antwortete nur: Ist doch Ehrensache, oder nicht? Sie luden die letzten Kartons und Kisten ein und fuhren dann zurück nach London.

Ist es nicht komisch, dachte Sean und lächelte innerlich, dass ich in dein Heimatsland fliegen werde, nach Italien um dort zum Italiener zu werden und du hier in England bleibst, Mia? Es dauerte nicht lange, als das Flugzeug sich langsam in die Lüfte hob.


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